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Wie wir uns selbst über- und die Wissenschaft unterschätzen

on März 30. 2013

Tag für Tag entdecken SozialwissenschaftlerInnen, dass das menschliche Verhalten dem entspricht, was man erwarten würde.

– Cullen Murphy, Editor von The Atlantic

Ein Grossteil dieser Erwartungen sind dem Hindsight Bias zuzuschreiben. Nach der Lektüre der Grundlagen können Sie im Folgenden testen wie gut Sie den Hindsight Bias überwinden können.

Der Historiker Arthur Schlesinger Junior hat die Studie über die Erfahrungen von Soldaten im Zweiten Weltkrieg als bekannte Banalitäten abgetan. Darunter waren folgende Resultate mit den zugehörigen Erklärungen dieser Erfahrungen:

  1. Besser ausgebildete Soldaten litten vermehrt unter Anpassungsstörungen als schlechter ausgebildete. Dies lässt sich auf die schwächere „Street-Smartness“ von Intellektuellen zurückführen.
  2. Soldaten aus den Südstaaten verkrafteten das neuseeländische Klima besser als Soldaten aus den Nordstaaten. Südstaatler sind warmes Wetter gewohnt.
  3. Hellhäutige Grenadiers setzten sich vermehrt dafür ein den Rang des Unteroffiziers zu erlangen als dunkelhäutige Grenadiers. Die jahrelange Unterdrückung von Dunkelhäutigen hat deren Leistungsbestreben geschwächt.
  4. Dunkelhäutige Soldaten aus den Südstaaten bevorzugten hellhäutige Offiziere aus den Südstaaten vor hellhäutigen Offizieren aus den Nordstaaten. Offiziere aus den Südstaaten sind es gewohnt mit Dunkelhäutigen zu interagieren und besser trainiert darin.
  5. Solange der Krieg aktiv ausgefochten wurde, setzten sich Soldaten verstärkt für ihre Heimkehr ein als nach Kriegsende. Während dem aktiven Kampf wussten die Soldaten um die Lebensgefahr und wollten der gefährlichen Situation entkommen.

Wie oft haben Sie die Erklärungen als stimmig empfunden? Hätten Sie irgendwo das Gegenteil erwartet? Wie oft haben Sie sich selbst einen Irrtum eingestanden?

Wie ist es, wenn ich Ihnen sage, dass die gegenteiligen Resultate gefunden wurden? Oder doch nicht? Sind Ihre jetzigen Denkprozesse – da Sie gerade wirklich nicht wissen was stimmt – anders als jene Denkprozesse von vorher – als Sie dachten, Sie wüssten was wahr ist und die genannten Erklärungen rationalisiert haben?

Ich mache das nicht um Sie zu ärgern. Doch das Mass Ihrer rationalen Stärke entspricht Ihrer Fähigkeit sich von Fiktion eher erstaunen zu lassen als von der Realität. Diese Fähigkeit ist besonders in der Wissenschaft relevant; als Akteure während des Forschungsprozesses, aber auch im Umgang mit wissenschaftlichen Resultaten. Denn der Hindsight Bias führt dazu, dass Menschen denken, sie bräuchten die Wissenschaft nicht, weil sie all das ja auch selbst hätten vorhersagen können.

Vor allem wenn die wissenschaftlichen Resultate zum eigenen bestehenden Modell der Realität passen, lässt uns der Hindsight Bias den Wert ebendieser Resultate missachten. Das untergräbt den Beitrag aller WissenschatlerInnen und die Wissenschaft hat schon genügend Schwierigkeiten. Zudem hemmt der Hindsight Bias die Erkenntnis, dass Evidenz nicht zum bestehenden Modell passt. Denn wenn der Schritt der Rationalisierung der unvoreingenommenen Analyse der Resultate vorangeht, werden Anomalien meist in das bestehende Modell ein-rationalisiert oder maximal als sogenannte Ausnahmen der Regel abgetan. Noch verheerender: Das eigene Modell wird nie einer wirklichen Prüfung unterzogen. Wollen Sie das wirklich?

In Anlehnung an den englischen Originalartikel der LessWrong-Community.