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Überlegungen zur Disziplin der Tier-Maschine-Interaktion

GBS Schweiz on Februar 14. 2015

ladybird bendel

1. Einleitung
2. Zentrale Begriffe
3. Beispiele von Interaktionen zwischen Tieren und Maschinen
3.1 Wildtiere
3.2 Haustiere
3.3 Arbeits- und Nutztiere
3.4 Versuchstiere
4. Grundlegung der Tier-Maschine-Interaktion
4.1 Maschinenethik
4.2 Aufgaben der Tier-Maschine-Interaktion
4.3 Themen der Tier-Maschine-Interaktion
5. Zusammenfassung und Ausblick
6. Literatur

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Zum Autor: Oliver Bendel ist Professor und Leiter des Kompetenzschwerpunkts Digital Innovation & Learning (DIL) an der Fachhochschule Nordwestschweiz (FHNW).

Schlüsselwörter: Soziale Interaktion, Tier-Maschine-Interaktion, Tier-Computer-Interaktion, Maschinenethik, Technikethik, Informationsethik, Tierethik

Zusammenfassung: Der vorliegende Beitrag schlägt, ausgehend vom Begriff der sozialen Interaktion, die Etablierung einer Disziplin der Tier-Maschine-Interaktion vor. Er klärt grundlegende Begriffe, nennt Beispiele für Interaktion und Kommunikation zwischen Tier und Maschine, beleuchtet generelle Aspekte der Tier-Maschine-Interaktion und verknüpft diese mit der jungen Disziplin der Maschinenethik.

Summary: This contribution proposes, based on the concept of social interaction, the establishment of a discipline called animal-machine interaction. It clarifies basic terms, names examples for interaction and communication between animal and machine, throws light on general aspects of animal-machine interaction and links them with the young discipline of machine ethics.

1. Einleitung

Die Mensch-Maschine-Interaktion ist eine etablierte Disziplin, die sich mit dem Design, der Evaluierung und der Implementierung von Maschinen befasst, mit denen Menschen in Interaktion stehen. In ihrem Schatten steht die Tier-Maschine-Interaktion. Obwohl das Tier unser Begleiter und Mitgeschöpf ist, und obwohl Kultur und Zivilisation immer mehr den Raum der Natur besetzen und sich Lebewesen aller Art immer mehr in und bei Artefakten bewegen müssen, fehlt es an grundsätzlichen Überlegungen und Systematisierungen. Als relativ neues Phänomen kommt hinzu, dass Tiere mit (teil-)autonomen Systemen wie Robotern, Drohnen und selbstständig fahrenden Autos interagieren und kommunizieren. In moralisch relevanten Situationen bietet sich die Maschinenethik als Partnerin der Tier-Maschine-Interaktion an. Sie ist an der Entwicklung sogenannter moralischer Maschinen interessiert und kann ihren Beitrag zu einer adäquaten Interaktion und Kommunikation zwischen Maschinen und Tieren leisten. Der vorliegende Artikel klärt grundlegende Begriffe, nennt Beispiele für Interaktion und Kommunikation zwischen Tier und Maschine, beleuchtet generelle Aspekte der Tier-Maschine-Interaktion und verknüpft diese mit der jungen Disziplin der Maschinenethik.

2. Zentrale Begriffe

Der Begriff der Interaktion wird u.a. aus psychologischer, pädagogischer, soziologischer und technischer Perspektive definiert. Interessant im vorliegenden Kontext ist die Erklärung von Minsel und Roth, die zunächst allgemein und dann auf die soziale Interaktion gerichtet ist. Sie schreiben: „In der Alltagssprache versteht man unter Interaktion die aufeinander bezogenen Handlungen/Tätigkeiten/Bewegungen von zwei oder mehreren Subjekten (Personen/Tieren/Maschinen usw.).“ (Minsel & Roth 1978, S. 15) Es werden demnach ausdrücklich Tiere und Maschinen berücksichtigt. „Soziale Interaktion“ bedeute, „dass die aufeinander bezogenen Handlungen zwischen Subjekten stattfinden, die ein gemeinsames Verständigungssystem besitzen – also zwischen Menschen oder Tieren einer Art“ (Minsel & Roth 1978, S. 15). Hier fehlen die Maschinen, aber man kann sie leicht hinzudenken, und auch der Begriff „Verständigungssystem“ kann auf alle Genannten angewandt werden. Unter einer Interaktion soll, in Erweiterung des Begriffs, eine solche Aktion oder Kommunikation verstanden werden, mit der sich die Beteiligten zu beeinflussen bzw. einander zu einer bestimmten Reaktion zu bringen versuchen.

Die Mensch-Maschine-Interaktion (MMI), im Englischen „human-machine interaction“ (HMI), behandelt die Interaktion zwischen Mensch und Maschine. Synonym oder mehr auf die Kommunikation bezogen spricht man auch von Mensch-Maschine-Kommunikation („human-machine communication“). In vielen Fällen ist die Maschine ein Computer bzw. enthält Informations- und Kommunikationstechnologien (IKT) und Anwendungssysteme. Von daher existieren enge Beziehungen zur und erhebliche Überschneidungen mit der Mensch-Computer-Interaktion (MCI), im Englischen „human-computer interaction“ (HCI). Die Special Interest Group on COMPUTER-HUMAN INTERACTION (SIGCHI) der Association for Computing Machinery (ACM) hält fest: „Human-computer interaction is a discipline concerned with the design, evaluation and implementation of interactive computing systems for human use and with the study of major phenomena surrounding them.“ Neben dem Begriff der HCI ist der Begriff der Mensch-Roboter-Interaktion („human-robot interaction“) von Bedeutung. Roboter sind nicht einfach Computer; oft sind sie mobil und haben, vor allem wenn sie tier- oder menschenähnlich umgesetzt sind, einen Körper und Gliedmaßen. Diese Forschungsrichtung wird ohne Zweifel immer wichtiger werden und neben der Mensch-Computer-Interaktion im engeren Sinne einen Großteil der Mensch-Maschine-Interaktion ausmachen.

Ein bekanntes Modell der HCI ist der Execution-Evaluation-Cycle von Norman. Nach diesem formuliert der Benutzer eine Vorgehensweise, die vom System umgesetzt wird (Norman 1988). Es wird also vorrangig der Benutzer betrachtet und damit nicht die Breite der obigen Definition der sozialen Interaktion erreicht. Abwod und Beale haben das Modell zum „interaction framework“ erweitert (Abwod & Beale 1991). Darin wird das System gleichsam aufgewertet, und die beiden Interaktionspartner stehen in gewissem Sinne auf einer Stufe, so dass die präsentierte Definition erfüllt zu sein scheint. Allerdings ist es offenbar immer noch der Benutzer, der mit seiner Anforderung an ein System herantritt. In Zeiten omnipräsenter und (teil-)autonomer Maschinen scheint ein drittes Modell notwendig zu sein, in dem diese weiter aufgewertet werden und selbst ein Ziel vorgeben, das die Partner erreichen sollen. Ein solches Modell – das in der Mensch-Roboter-Aktion durchaus thematisiert wird und ebenfalls weitgehend mit der genannten Definition übereinstimmt – hat nicht nur den Vorzug, dass es eine neuartige Wirklichkeit beschreibt, sondern auch, dass es Menschen und Tiere als Benutzer und als Betroffene einzubeziehen mag. Menschen sind Benutzer und immer häufiger Betroffene, von Maschinen beobachtet, ausgewertet, benutzt, angewiesen, bedrängt und ersetzt. Tiere mögen in manchen Fällen Benutzer sein; in den meisten Fällen sind sie aber nur Betroffene (wenn auch Beteiligte, also nicht nur vollständig Passive) in einer von der Maschine initiierten Wechselbeziehung. Das Modell ist also eines der Mensch-Maschine-Interaktion, das im skizzierten Sinne erweiterbar ist, wobei jedem Subjekt der Lead zukommen kann.

In der Tier-Maschine-Interaktion (TMI) geht es, wenn man den Begriff analog zu demjenigen der Mensch-Maschine-Interaktion denkt, um Design, Evaluierung und Implementierung von (in der Regel höherentwickelten bzw. komplexeren) Maschinen und Computersystemen, mit denen Tiere interagieren und kommunizieren und die – wie man nun mit Blick auf das „dritte Modell“ sagen kann – mit Tieren interagieren und kommunizieren. Eine Interaktion zwischen Tier und Maschine kommt oft erst zustande, nachdem die TMI ihr Objekt (das u.U. bereits Prozesse der MMI durchlaufen hat) gestaltet und umgesetzt hat. Im deutschsprachigen Raum wird der Begriff der Tier-Maschine-Interaktion praktisch nicht verwendet, ebenso wenig der Begriff der Tier-Computer-Interaktion. Im englischsprachigen Raum taucht der Begriff „animal-machine interaction (AMI)“ durchaus auf. Man spricht zudem spezieller von „animal-computer interaction (ACI)“. Mancini definiert in ihrem „Manifesto“ – einem der wenigen grundsätzlichen Texte zum Thema – den Begriff und skizziert eine entsprechende Disziplin: „ACI aims to understand the interaction between animals and computing technology within the contexts in which animals habitually live, are active, and socialize with members of the same or other species, including humans. Contexts, activities, and relationships will differ considerably between species, and between wild, domestic, working, farm, or laboratory animals. In each particular case, the interplay between animal, technology, and contextual elements is of interest to the ACI researcher.“ (Mancini 2011, 70) Sie betont also das Zusammenspiel von Tier, Technologie und Kontext und unterscheidet zwischen Individuen und Arten sowie zwischen Typen wie Wild-, Haus-, Arbeits-, Nutz- und Versuchstieren. Nicht zuletzt wird von „animal-robot interaction“ gesprochen, ein älterer Begriff, der eine bis heute wenig beachtete Disziplin bezeichnet (Böhlen 2000); die deutsche Entsprechung „Tier-Roboter-Interaktion“ wird bisher kaum bemüht.

Die Maschinenethik („machine ethics“) hat die Moral von Maschinen zum Gegenstand, vor allem von (teil-)autonomen Systemen wie bestimmten Agenten, Robotern, Drohnen und Computern im automatisierten Handel sowie von selbstständig fahrenden Autos (Anderson & Anderson 2011; Bendel 2012). Sie kann innerhalb von Informations- und Technikethik eingeordnet oder als Pendant zur Menschenethik (zur klassischen Ethik als Teil der Philosophie) angesehen werden. Die Roboterethik („robot ethics“) ist eine Keimzelle und ein Spezialgebiet der Maschinenethik; zudem hat sie spezielle und umstrittene Anliegen, etwa die Rechte, die Haftung und die Verantwortung von Robotern. Auch mit Blick auf die Maschinenethik treten Dispute auf, etwa zum Begriff der Moral. Weitgehend unbestritten ist, dass die Entscheidungen der Maschinen moralische Implikationen haben können und einfache moralische Maschinen möglich sind, die in wenig komplexen Situationen richtige bzw. adäquate Entscheidungen treffen (Bendel 2013b). Wenn sich die Maschinenethik auf Tiere bezieht, ist die Tierethik mit im Spiel. Diese Bereichsethik, die das Tier in der Moral zum Gegenstand hat, kann nur gestreift werden; es geht aber, was durchaus eines ihrer Themen ist, um die Existenz und das Wohl von Tieren. Die Maschinenethik ist, wie angedeutet, eine Gestaltungsdisziplin. Sie macht Vorschläge, wie man Maschinen, die sie als Subjekte begreift, in moralischer Hinsicht verbessern kann. Insofern liegt es nahe, TMI und Maschinenethik zueinander zu bringen, was bisher noch nicht versucht wurde; darauf wird in Kapitel 4 näher eingegangen.

3. Beispiele von Interaktionen zwischen Tieren und Maschinen

Im Folgenden werden Beispiele für Interaktionen zwischen Tieren und Maschinen erfasst, die der obigen Einteilung in Typen folgen. Es wird auf Interaktionen fokussiert, bei denen Menschen allenfalls am Rande oder im Hintergrund eine Rolle spielen. Mit der computervermittelten Interaktion und Kommunikation zwischen Menschen und Tieren, die hier nicht im Vordergrund steht, beschäftigt sich ein spezielles Gebiet (McGrath 2009; Teh & Cheok 2008); man spricht in diesem Zusammenhang auch von „human animal machine interaction“ (Fahlquist et al. 2010). Es interessieren echte Interaktionen im Sinne der referierten Modelle und Definitionen, also Tiere als Benutzer (Tier bedient System), Beteiligte (Tier und System interagieren) oder Betroffene im engeren Sinne (System agiert, Tier reagiert). Ein Verkehrsunfall, bei dem ein Tier auf der Strecke bleibt, ist keine Interaktion in diesem Sprachgebrauch – außer wenn das Auto das Tier zu warnen und dieses sich zu retten versucht hat. Damit diese Einteilung noch deutlicher wird, sind in jedem Abschnitt „falsche Interaktionen“ aufgeführt.

Die Quellen im vorliegenden Beitrag sind wissenschaftliche Literatur, Medienberichte (die bei einem so neuen Thema verwendungsfähig sein dürften) sowie eigene Beobachtungen und Erfahrungen. Der Schwerpunkt liegt bei höherentwickelten Maschinen und Rechnersystemen. Zu den höherentwickelten Systemen, die mit Computertechnologien ausgerüstet sind, gehören Roboter, seien es Industrie- oder Serviceroboter, und andere (teil-)autonome Maschinen. Es werden zunächst ausführlich reale Beispiele ausgebreitet, mit einfacheren und vor allem komplexeren Technologien und samt einer Bewertung der Interaktionen und der Relevanz für die Maschinenethik. Dann werden kurz Visionen thematisiert und eingeordnet.

3.1 Wildtiere

Wildtiere sind zum einen Teil der Wildnis, sofern diese noch existiert, zum anderen – vor allem als Kulturfolger – in Kulturlandschaften und in menschlichen Siedlungen anzutreffen. Manche Wildtiere werden mit Hilfe von Technologien wie Peilsendern und Funkchips überwacht. Man verfolgt die Flugrouten von Vögeln und die Bewegungen von Bären im Umfeld menschlicher Siedlungen. Eigentliche Interaktionen sind dabei kaum vorzufinden. Die Wildtiere können zudem auf Bewegungsmelder treffen und von Tretminen in die Luft gesprengt werden, wobei man hier genauso wenig von Interaktionen sprechen kann. Auch im Zoo sind Wildtiere immer wieder mit IKT konfrontiert. Es gibt Regelungsinstrumente und Kontrollmonitore, auf denen Daten angezeigt werden. Auch interaktive Darstellungen und Spiele für Besucher sind vorhanden. Nicht zuletzt konfrontieren diese die Tiere mit ihren Smartphones, in der Regel um sie zu fotografieren und zu filmen und ihre Laute aufzunehmen – von Interaktionen im engeren Sinne ist auch bei diesen Beispielen kaum auszugehen.

In manchen Zoos – begriffen als Orte, wo Wildtiere in Gefangenschaft leben – lässt man höherentwickelte Tiere wie Menschenaffen mit Tablets kommunizieren (saw/AFP 2012). Die Tiere sind in der Lage, grafische Benutzeroberflächen mit einfachen Symbolen zu bedienen. Hierbei handelt es sich um Interaktionen im definierten Sinne. Die Tiere sind Benutzer der Technologien und können beispielsweise anzeigen, wie es ihnen geht, oder um Nahrung bitten. Diese Konstellation ist mit dem Tierversuch verwandt, auf den noch eingegangen wird, wobei eher das Verhalten der Menschenaffen als ein Nutzen für den Menschen interessiert.

Einfache Maschinen wie Windkraftanlagen sind in Ländern wie Deutschland, Griechenland und Spanien in hoher Dichte zu finden. Es handelt sich oft um hohe Masten mit riesigen Rotoren, in erhöhten Regionen und auf dem offenen Meer. Die Tiere reagieren auf den Lärm und die Schatten der Maschinen. Es kommt hin und wieder zu Kollisionen zwischen Windkraftanlagen und Vögeln oder Fledermäusen (Hötker 2006). Vor diesem Hintergrund sind Prototypen entstanden, die Interaktionen zum Verscheuchen vorsehen (Federle 2014). Die Maschinen müssen die Tiere als solche identifizieren, die Tiere die Warnungen und Handlungen der Maschinen auf geeignete Weise interpretieren und das gefährliche Hindernis umfliegen und meiden.

Wesentlich komplexere Maschinen sind Flugzeuge und Autos. Ständig kollidieren Fahrzeuge mit Wildtieren, wobei eigentliche Interaktionen zunächst nur in wenigen Fällen vorhanden sind. Die jüngsten Fahrzeuge von Mercedes-Benz (S-Klasse) verfügen über ein System, das Menschen und Tiere voneinander unterscheiden und prinzipiell intervenieren kann. Es liegt nahe, dass für Menschen und manche Tiere eine Vollbremsung eingeleitet wird, für andere Tiere nicht, nämlich solche, die klein sind und leicht überrollt werden können; ein Ziel ist, dass keine unnötige Gefahr für den „Beifahrer“ und den Fahrer im nachfolgenden Auto entsteht. Bei selbstständig fahrenden Autos sind weitere Funktionen denkbar. Sie können aufgrund aktueller Informationen problematische Gebiete meiden und auf Interaktionen mit Tieren setzen, sie warnen oder scheuchen (Bendel 2014). Die Maschinenethik ist bei diesen Interaktionen in verschiedener Weise gefragt. Es geht darum, dass die Maschinen in bestimmten Situationen zwischen Optionen wählen und sich automatisch anpassen können.

Wildtiere können mit Ernterobotern oder anderen Landwirtschaftsrobotern in Konflikt kommen (Eichler 2013), wenn sie Äcker und Felder aufsuchen. Seidenfaden weist darauf hin, dass Miniroboter zur Unkrautbekämpfung und Düngung „eine weit geringere Bedrohung für Vögel und Kleinsäugetiere“ darstellen. Wenn man sie mit Infrarotsensoren ausstattet, „können sie zum Beispiel im Pflanzengeflecht verborgene Wildtiere rechtzeitig erkennen“ (Seidenfaden 2013). Mähdrescher können zusammen mit Drohnen Wildtiere aufspüren und verscheuchen. In diesem Zusammenhang ist der „DLR-Wildretter“ zu nennen, der sowohl vom Boden aus als auch in der Luft das Wild entdecken und in der Folge die Verantwortlichen informieren kann. Eine Interaktion mit dem Wild findet dabei kaum statt. Immer häufiger sind Drohnen über Wäldern und Wiesen unterwegs. Sie kontrollieren die Gebiete, etwa mit Blick auf Brandgefahren und mögliche Überschwemmungen (De La Barra 2013). Interaktionen können offensichtlich im Einzelfall stattfinden.

Es werden mehr und mehr Tierroboter entwickelt, die – in schlecht zugänglichen Gebieten und in gestörten Ökosystemen zu Wasser und zu Lande – eine Funktion in Schwärmen und Herden oder Aufgaben von Tieren als soziale Wesen oder als interagierende Organismen übernehmen sollen (Bendel 2014). Bekannte Beispiele sind Fisch– und Bienenroboter. Die Roboter untersuchen die Tiergruppen, nehmen Einfluss auf sie, versuchen sie zu leiten und zu lenken und zu einem bestimmten Verhalten zu bringen. Die Interaktionen dabei sind vielfältiger Art (Mondada 2013). Auch in diesen Kontexten sorgt sich die Maschinenethik darum, dass sich die Maschinen in bestimmten Situationen zwischen verschiedenen Möglichkeiten entscheiden. Zudem sollen sie das Leben und Zusammenleben der Tiere möglichst wenig stören bzw. in positiver Weise beeinflussen.

Man versucht ferner, bestimmte Insekten mit Technologien zu verbinden. So kann man z.B. Ratten und Schaben fernsteuern. Solche tierischen Cyborgs werden sogar als Spielzeug bzw. Lernwerkzeug angeboten (Rötzer 2013). Die Interaktionen sind in diesem Fall besonderer Art, denn die Maschine ist ja Teil des Tiers, und das Tier ist Teil der Maschine. Zudem ist eine Kontroll- und Steuereinheit – im Falle von RoboRoach, eines amerikanischen Projekts, ein Smartphone – in den Händen des Benutzers. Die Tierethik ist hier nicht nur wegen möglicher schädlicher Interaktionen, sondern auch wegen des körperlichen Eingriffs und des Eingriffs in die tierische Autonomie gefragt, und neben ihr auch Medizin- und Wissenschaftsethik.

Eine Vision sind Roboter, die Wildtiere beobachten, kontrollieren und im Notfall pflegen und füttern oder auch einschläfern und töten. Sinnvoll ist ein solcher Einsatz in unwegsamen, unwirtlichen oder gefährlichen Gebieten. Im Jahre 2009 wurde ein Patent für einen Roboter zum Detektieren und Vertreiben von Tieren angemeldet, wobei ausdrücklich von Wildtieren die Rede ist. Die Roboter würden mit den Tieren interagieren und kommunizieren. Die Maschinenethik wäre bei solchen Anwendungen auch gefragt.

3.2 Haustiere

Haustiere bewegen sich häufig – wie bereits der Name andeutet, der auf Haus und Haushalt zielt – in einer artifiziellen Umgebung (die von natürlichen Elementen wie Pflanzen und Markierungen durchdrungen ist). Sie sind als Züchtungen selbst ein Stück weit „menschengemacht“. Teilweise leiden sie an Krankheiten, die für Wildtiere untypisch sind, und ihre Instinkte können beeinträchtigt sein. Zur artifiziellen Umgebung gehören Notebooks, Tablets und Smartphones. Die komplexen Maschinen wenden sich mehrheitlich an die Besitzer der Tiere; diese werden jedoch ebenfalls involviert. Sie sehen Texte, Fotos und Videos auf den Bildschirmen, und sie hören künstliche Stimmen, etwa von einem Sprachassistenten wie Siri, von einem Chatbot oder von einer Suchmaschine, oder aber Musik. Die Tiere reagieren auf Visuelles und Auditives, darunter auch auf Reize, die Menschen verborgen bleiben. Von Interaktionen im engeren Sinne kann man kaum sprechen.

Digitale Futterautomaten mit Alarm, Sprachaufnahme und -wiedergabe, Programmsteuerung für Mahlzeiten und anderen Funktionen sind über das WWW und im Fachgeschäft erhältlich. Die Interaktionen sind besonderer Art, wenn sie von der konservierten Ansprache des Besitzers, seinem „Fütterungsauftrag“, ausgehen. Ob das Tier diesen in jedem Fall verstehen kann, sei dahingestellt. Berücksichtigen muss man, dass die Maschine die Besitzer oder Betreuer temporär ersetzt. Damit wird die Frage aufgeworfen, ob eine Zuwendung über die Sprachnachricht hinaus notwendig ist. Bereits bei Futterautomaten ergeben sich maschinenethische Implikationen. Das Verhalten des Automaten entscheidet über das Wohl des Tiers und kann verbessert und verfeinert werden.

Immer beliebter werden Roboterhaustiere. Von mehreren Unternehmen werden künstliche Hunde angeboten. Ein handgroßes Exemplar ist der I-SODOG, der bei der Tokyo Toy Show 2012 vorgestellt wurde, weitere Beispiele sind Zoomer von Spin Master und Sony AIBO ERS-210. Wenn sich echte Haustiere im Haushalt befinden, kommt es zu Interaktionen, vom gegenseitigen Anbellen über eine Rauferei bis hin zur Eliminierung. Daneben werden weitere Spielzeugroboter verkauft, mit denen sich die Haustiere den Lebensraum potenziell teilen müssen. Dazu zählen der humanoide, personalisierbare RoboMe und Produkte von LEGO (Schäfer 2013). Die Maschinenethik ist hier von großer Bedeutung. Die Maschinen müssen darauf aufpassen, Tiere nicht zu verunsichern, nicht zu verletzen und sie räumlich nicht zu sehr einzuschränken.

Eine Vision ist, dass Roboter Haustiere beobachten, kontrollieren und pflegen und sich mit ihnen beschäftigen. Sie sollen mit Katzen spielen und Hunde Gassi führen (Bendel 2013b). Damit ließen sich Absenzen der Besitzer überbrücken, und es wäre möglich, Tiere zu versorgen, selbst wenn diese gefährlich oder krank sind. Auch in diesem Zusammenhang ist die Maschinenethik von hoher Relevanz. Es geht wiederum darum, dass den Tieren kein Leid geschieht; sie sollen sich zudem artgerecht entfalten und ihre Bedürfnisse befriedigen können, ohne dass Menschen und Dinge zu Schaden kommen.

3.3 Arbeits- und Nutztiere

Arbeitstiere findet man – insbesondere in Schwellenländern – im Baugewerbe, in der Landwirtschaft und im Transportwesen. Esel, Kamele und Elefanten befördern Lasten und Menschen, Ochsen ziehen einen Pflug. In hiesigen Gefilden sind noch Jagd-, Wach- und Hirtenhunde anzutreffen. Höherentwickelte Maschinen werden bei diesen Tätigkeiten kaum eingesetzt. Einige Technologien verschmelzen mit den Tieren. So ist es in Industrieländern üblich, dass Schafe auf der Weide oder Schweine in Ställen mit Funkchips ausgestattet werden, um sie identifizieren und orten zu können. Diese werden z.B. unter der Haut platziert oder am Ohr angebracht. Interaktionen sind allenfalls im Zusammenspiel mit Logistik- und Ortungssystemen sowie mit Schlacht- und Tötungsmaschinen zu verzeichnen.

Die Nutztierhaltung zur Gewinnung von Fleisch, Leder, Pelz, Wolle, Horn, Lab, Milch, Honig und anderen Produkten bezieht sich auf so unterschiedliche Lebewesen wie Strauße, Lamas, Nerze, Büffel, Hirsche, Rinder, Kühe, Schafe, Ziegen und Bienen, insgesamt also auf Wildtiere in Gefangenschaft und auf Züchtungen. Zu Interaktionen kommt es z.B. zwischen Kühen und Melkmaschinen bzw. -robotern sowie zwischen Rindern und diversen Komponenten von Ställen, wobei letztere nicht unbedingt zu den komplexeren Systemen gehören. Neben der Tierethik ist hier die Wirtschaftsethik gefragt. Die Maschinenethik interessiert sich für die schmerzfreie und artgerechte Behandlung durch die Systeme.

Eine Vision ist der breite Einsatz von Agrarrobotern, die Arbeitstiere ersetzen und Menschen assistieren (Seidenfaden 2013). Konfrontiert werden sie mit Wildtieren sein, etwa Krähen und Dohlen, und Haustieren, etwa Katzen. Auch Arbeits- und Nutztiere können betroffen sein, zum Beispiel wenn die Äcker an Weideflächen angrenzen. BoniRob ist der Name eines modernen Feldroboters. Er kann einzelne Pflanzen auf einem Acker untersuchen und wiedererkennen und -finden (Seidenfaden 2013). Bei Maschinen dieser Art können Interaktionen sinnvoll sein. In Kulturräumen dieser Art ist die Maschinenethik relevant. Die Tiere sollen nicht verletzt und nicht gestört werden. Eine Ausnahme sind Roboter, die als Tierscheuchen dienen.

3.4 Versuchstiere

Versuchstiere sind meist Teil einer experimentellen, artifiziellen Umgebung in wissenschaftlichen Einrichtungen (von Hochschulen oder Unternehmen) und häufig mit Technologien unterschiedlichster Art und Computersystemen konfrontiert. Es handelt sich dabei um Sensoren und Implantate, um Manipulations- und Messapparate. Die Interaktion dient, vor allem bei der Untersuchung von physiologischen Vorgängen, in erster Linie der Reizabgabe und zur Datenerhebung. Die Datenanalyse findet mit denselben oder mit anderen Maschinen statt.

Zuweilen werden Roboter bei Versuchen eingesetzt, beispielsweise Tierroboter, die sich den Versuchstieren gegenüber auf bestimmte Weise verhalten. Die Roboterratte WR-3 macht Ratten antriebslos, indem sie diese auf verschiedenen Stufen schikaniert (Ackerman 2013). Offensichtlich handelt es sich um Interaktionen im definierten Sinne, wobei sich das Verhalten der Betroffenen ändert. Hier scheint wiederum die Maschinenethik von Belang zu sein. Allerdings sind wiederum diverse Bereichsethiken von Bedeutung, neben der Tier- auch Medizin-, Wirtschafts- und Wissenschaftsethik. Sie können zum Schluss kommen, dass gewisse Versuche überhaupt nicht durchgeführt werden sollten. Inwiefern die Maschinenethik vor diesem Hintergrund zum Wohl von Versuchstieren beitragen kann und soll, muss breit diskutiert werden.

Neuere und noch in der Erprobung befindliche Technologien wie intelligente Medikamente, etwa digitale Pillen (Murray 2012) und Nanoroboter, die sich im Körper befinden und bewegen, werden i.d.R. zuerst an Tieren ausprobiert. Man untersucht, wo und wie sie Schaden anrichten und Nutzen stiften. Es finden Interaktionen statt, allerdings meist zwischen dem Inneren der Tiere, ihren Organen, Muskeln und Blutbahnen, und den Technologien, womit – wie bei RoboRoach, der auch in diesem Kontext des Tierversuchs thematisiert werden könnte – ein Sonderfall vorliegt.

4. Grundlegung der Tier-Maschine-Interaktion

Wie deutlich wurde, sind die Beziehungen zwischen Tier und Maschine vielfältiger Natur, und die involvierten Technologien unterscheiden sich stark voneinander, in Bezug auf Aufgabe, Aussehen und Komplexität. Einige Technologien sind Teil der Tiere, einige Teil einer Umgebung, in der Menschen und Tiere verkehren, die von ihnen in irgendeiner Form profitieren wollen, wieder andere sind (teil-)autonome Systeme, die sich mit verschiedenen Interessen und Zielen an die Lebewesen wenden und sie versorgen, unterhalten und manipulieren. Eine Disziplin der Tier-Maschine-Interaktion erscheint insbesondere dort notwendig, wo Tiere und Maschinen wiederholt direkt interagieren, wo Tiere – um die oben eingeführten Begriffe wiederaufzunehmen – Benutzer, Beteiligte oder Betroffene sind. Wenn Tiere selten oder nur zufällig in eine Interaktion involviert sind, ist der Aufwand für eine Anpassung der Systeme meist zu hoch bzw. nicht unbedingt im Sinne des Erfinders.

4.1 Maschinenethik

Bei (teil-)autonomen Maschinen stellt sich, wie deutlich wurde, nicht bloß die Frage nach dem adäquaten Design im herkömmlichen, sondern auch im moralischen Sinne. Sie müssen sich in moralisch relevanten Situationen richtig und zum Wohle ihrer Interaktionspartner verhalten. Die Maschinenethik bezieht sich bisher vor allem auf Menschen, kann aber auch bei Tieren dienlich sein (Bendel 2014). Sie versucht moralische Maschinen zu konzipieren und mit Hilfe weiterer Disziplinen wie Informatik und KI zu implementieren (Anderson/Anderson 2011). Sie identifiziert Menschen, Tiere und Maschinen als Subjekte bzw. Objekte der Moral. Menschen können Subjekte und Objekte der Moral sein, Tiere keine Subjekte, aber Objekte, Maschinen Subjekte, aber keine Objekte. Manche Vertreter der Roboterethik bemühen sich zwar, Roboter als Objekte der Moral zu beschreiben, aber es ist gegenwärtig kaum sinnvoll, diesen z.B. Rechte zuzugestehen und sie als empfindsame Entitäten aufzufassen. Schützenswert scheinen sie vor allem wegen ihres finanziellen Werts. Für die Tierethik bedeutete es den entscheidenden Durchbruch, dass Tiere als empfindsame, leidende Wesen erkannt und – wie von Jeremy Bentham – beschrieben wurden. Die Leidensfähigkeit ist ein wichtiges sittliches und ethisches Argument. Tiere werden inzwischen allgemein als Objekte der Moral akzeptiert; als Subjekte lässt man sie gemeinhin nicht gelten, allenfalls ein vormoralisches (sozialverträgliches und fürsorgliches) Verhalten gesteht man ihnen zu.

Es liegt an dieser Stelle nahe, die Akteur-Netzwerk-Theorie einzubeziehen. Diese wendet sich gegen (vor-)bestimmte Dichotomien wie Gesellschaft und Natur oder Subjekt und Objekt bzw. deren übliche Zuordnung (Callon 1986, Latour 1987). Stattdessen werden mannigfache Entitäten zugelassen und ihre sich verändernden, in netzwerkartigen Strukturen sich konstituierenden Beziehungen betrachtet (Bendel 2014). Nicht nur Menschen können agieren und manipulieren, als Akteure, sondern auch Tiere und Dinge („non-humans“), als Aktanten, wie sie in der Akteur-Netzwerk-Theorie genannt werden, oder als „moral agents“ bzw. „moral entities“, wie es in der maschinenethischen Diskussion heißt (Anderson & Anderson 2011). Die Aktanten sind ebenso wie die Akteure in Netzwerkbildungsprozesse eingebunden, stoßen Ereignisse an und übernehmen Aufgaben und – im Rahmen ihrer Möglichkeiten – auch Verantwortung. Erinnert fühlen kann man sich abermals an die eingangs präsentierte allgemeine Definition der Interaktion.

Zwischen Akteuren und zwischen Akteuren und Aktanten bestehen in moralischen und rechtlichen Fragen entweder Gemeinsamkeiten oder aber graduelle oder gravierende Unterschiede. Dies wird deutlich, wenn man die Menschheit, die im vorliegenden Kontext homogen zu sein scheint, in Untergruppen einteilt, etwa in Kinder, geistig Behinderte und der Norm entsprechende erwachsene Personen. Ein Kleinkind z.B. kann nicht für seine Taten verantwortlich gemacht werden, ein Tier oder eine Maschine ebenso wenig. Ein Heranwachsender wird erst allmählich zum Subjekt der Moral, ein Tier ist dieser Möglichkeit grundsätzlich beraubt, und bei der Maschine sind der Erfolg und der Grad des „Moralisierens“ (Bendel 2013b) entscheidend. Durchaus problematisch erscheint es, dass die Maschine Subjekt der Moral sein, aber nicht zur Verantwortung gezogen werden kann (selbst wenn sie, in einem rudimentären Sinne, Verantwortung übernimmt). Sie wird gleichsam in ihre Autonomie gestoßen, und der Mensch, der sie gebaut hat oder betreibt, muss sie zum geeigneten Zeitpunkt zurückholen und gewissermaßen ihre Schuld tragen. Möglicherweise kann man in dieser Hinsicht (und nur in dieser) Maschinen mit Halbwüchsigen vergleichen, die bereits moralisch handeln, aber nicht haftbar gemacht werden können.

Für die Maschinenethik scheint sich ein Betätigungsfeld vor allem bei Wild-, Arbeits-, Nutz- und Haustieren aufzutun. Bei Versuchstieren ergeben sich Widersprüche und Schwierigkeiten verschiedener Art. Diese erinnern an Diskussionen um militärische Drohnen und Kampfroboter. Auch hier ist es ein „Vakuum der Moral“, das den Aufbau von Subjekten der Moral fragwürdig macht. Natürlich muss man die moralische von der ethischen Ebene unterscheiden. Allerdings hat die Maschinenethik moralische Maschinen zum Ziel, und in gewisser Weise ist sie konstitutiver als die normative Ethik, die begründete Vorschläge und Forderungen unterbreitet, jedoch kein moralisches Wesen „formen“ will. Für alle Tiertypen von Bedeutung ist die Tier-Maschine-Interaktion.

4.2 Aufgaben der Tier-Maschine-Interaktion

Offensichtlich ist der Ruf nach einer Disziplin der Tier-Maschine-Interaktion bisher nicht besonders laut gewesen. Es sollten an geeigneter Stelle mögliche Ursachen für den blinden Fleck eruiert werden. Es ist die Frage, ob genügend Informatiker in professioneller Weise an Tieren interessiert oder als nebenberufliche Tierethiker unterwegs sind, und ob überhaupt genügend von ihnen einen Zugang zur Ethik finden. In den Lehr- und Fachbüchern der Wirtschaftsinformatik spielen ethische Fragen keine große Rolle (Bendel 2015). Es ist überdies die Frage, ob sich Ethiker in ausreichender Weise mit Informationsethik und mit KI, Informatik und Wirtschaftsinformatik beschäftigen. Es sind sehr wenige Informationsethiker im deutschsprachigen Raum tätig. Am ehesten nähern sich Philosophen über die Technikethik den Maschinen. Die Maschinenethik wird hauptsächlich von Philosophen, Informatikern und KI-Experten der USA und der Schweiz sowie aus Kanada betrieben und ist im Moment noch ein Nebenschauplatz. Die Philosophie ist seit jeher mit Natur- und Technikwissenschaften verbunden, und auch zur Mathematik werden – etwa über die formale Logik – enge Beziehungen unterhalten. Dass die Computerwissenschaften aus diesem historischen und theoretischen Rahmen herausfallen, leuchtet nicht ohne weiteres ein.

Die Tier-Computer-Interaktion (wie bereits eingeführt, „animal-computer interaction“, kurz ACI) ist nicht identisch mit der Tier-Maschine-Interaktion, kann aber zunächst herangezogen werden. Mancini unterscheidet drei große Aufgabenbereiche einer Tier-Computer-Interaktion: „Improve animals’ life expectancy and quality“, „support animals in the legal functions they are involved in“ und „foster the relationship between humans and animals“ (Mancini 2011, 70 f.). Damit formuliert sie normative Ziele, die sich auf die Verbesserung und Erleichterung des Lebens der Tiere und das Zusammenleben mit den Menschen beziehen. Im Zusammenhang damit formuliert sie wissenschaftliche und moralische Prinzipien. Nach ihrer Meinung gilt, dass ACI „takes a non-speciesist approach to research“ (Mancini 2011, 72). Forscherinnen und Forscher haben ihrer Ansicht nach eine Verantwortung gegenüber Tieren wahrzunehmen und Maschinen in passender Weise zu konstruieren. Eine Animal-Computer Interaction muss freilich nicht zwangsläufig so betrachtet werden. Man kann sich darauf beschränken, dass die Wechselbeziehung zum gewünschten Erfolg beitragen und es sich um eine gelingende Interaktion handeln soll. Die Ethik – in welcher Form auch immer – mag als eine mögliche Perspektive hinzukommen.

Die Autorin trägt im Weiteren verschiedene Benefits einer ACI – sowohl für Tiere als auch für Menschen – zusammen. Zunächst werden Nutzeneffekte für Tiere und Menschen (und ihre Beziehungen) sowie für die Umwelt angesprochen. Dann werden Weiterentwicklungspotenziale für das Forschungsgebiet selbst formuliert. ACI „could expand the horizon of user-computer interaction research by pushing our imagination beyond the boundaries of human-computer interaction“ (Mancini 2011, 72). „For example, it could help us discover new ways of eliciting requirements from those who cannot communicate with us through natural language or abstract concepts.“ (Mancini 2011, 72) Insofern könnten die Erkenntnisse zur Barrierefreiheit und zur Inklusion im weitesten Sinne beitragen. In diesem Geiste heißt es weiter: „It could help us explore new modes of interaction for those who do not have hands, cannot decipher the patterns emitted by a screen, or have limited attention spans.“ (Mancini 2011, 72) Oder „it could help us find new ways of understanding and evaluating the impact of technology on individuals and social groups – perhaps shedding new light on issues such as identity, privacy, or trust, and contributing to our understanding of what it means to be human and who we are in relation to other species“ (Mancini 2011, 72). Diese Aussagen können wiederum mit der Akteur-Netzwerk-Theorie verknüpft werden – und mit der Informationsethik, deren klassische Themen die Autorin erwähnt.

Augenscheinlich kann man also – es wird vorausgesetzt, dass man die genannten Aussagen mit Blick auf die Maschine zu verallgemeinern vermag – mit Hilfe der Tier-Maschine-Interaktion die Mensch-Maschine-Interaktion verbessern. Es handelt sich dabei sicherlich um kein primäres Ziel, zumindest nicht für diejenigen Tierethiker und an Mitgeschöpfen interessierten Informatiker, die sich für eine Etablierung einsetzen, aber durchaus um ein beachtenswertes Nebenprodukt der neuen Disziplin. Das ist auch, wenn man sich die obigen Betrachtungen zu den Akteuren und Aktanten nochmals vor Augen führt, nicht weiter verwunderlich. Mensch-Maschine-Interaktion bezieht sich nicht allein auf der Norm entsprechende erwachsene Personen. Sie schließt auch geistig sowie körperlich behinderte Personen mit ein. Die Frage ist freilich, welche Probleme noch nicht aus der Perspektive der Barrierefreiheit gelöst wurden, und welche Garantie man dafür hat, dass die Ergebnisse aus der TMI übertragen werden können (eine ähnliche Streitfrage ist bei Tierversuchen vorhanden). Zudem ist die Problematik einer Analogiebildung in Bezug auf Menschen und Tiere nicht von der Hand zu weisen. Für Kinder – sogar im Vorschulalter – werden ebenfalls spezielle Interfaces gebaut. Auch hier gibt es natürlich bereits Forschung im Kontext der HMI und der HCI und die erwähnte Problematik. Insgesamt darf man durchaus vermuten, dass eine Tier-Maschine-Interaktion den Blick für Unterschiede und Gemeinsamkeiten schärfen und die Mensch-Maschine-Interaktion voranbringen könnte.

Es scheint indes wichtig, und zwar nicht nur aus der Sicht von Tierethikern und -rechtlern, den anthropozentrischen Standpunkt zu verlassen und die Tier-Maschine-Interaktion als selbstständige Disziplin zu entwickeln. Eine zu nahe Orientierung an der Mensch-Maschine-Interaktion versperrt die Sicht auf spezifische Gesetzlichkeiten und Möglichkeiten. So beschäftigt sich die TMI z.B. nicht allein mit Individuen, sondern auch mit Herden und Schwärmen. Es werden, wie gezeigt, immer mehr Tierroboter in die freie Natur entlassen, um mit Gruppen von Tieren zu interagieren, sie zu beeinflussen und zu führen. Es ist von zentraler Bedeutung, dass Tier und Maschine in angemessener bzw. zielführender Form kommunizieren können, ob Menschen direkt davon profitieren können oder nicht. Diese Eigenständigkeit wäre übrigens auch für eine auf Tiere gerichtete Maschinenethik wünschenswert. Nochmals sei betont, dass die Tier-Maschine-Interaktion in der Tier-Computer-Interaktion nicht aufgeht, da Maschinen wie Roboter mehr als Computer sind. Sie sind oft mobil und intelligent und bewegen sich durch eine natürliche und künstliche Umwelt (d.i. durch ein offenes System) und sammeln dabei Eindrücke, die ihre Entwickler nicht vorauszusehen vermögen, und sie können die physische Welt nicht nur mit virtuellen Mitteln auswerten, sondern auch im materiellen Sinne beeinflussen.

4.3 Themen der Tier-Maschine-Interaktion

Der Fachbereich Mensch-Computer-Interaktion der Gesellschaft für Informatik (GI) definiert auf seiner Website unter der Überschrift „Ziele und Aufgaben“ als Themen der Mensch-Computer-Interaktion u.a. „die benutzerorientierte Analyse und Modellierung von Anwendungskontexten“, „Prinzipien, Methoden und Werkzeuge für die Gestaltung von interaktiven, vernetzten Systemen“ und „multimodale und multimediale Interaktionstechniken“ (Website der GI). Evaluation und Zertifizierung spielen ebenso eine Rolle. Zudem wird die Integration der benutzergerechten Gestaltung von Informatiksystemen in die Softwareentwicklung genannt. Angestrebt wird die „Kooperation mit anderen an der Gestaltung von Informatiksystemen beteiligten Disziplinen, z.B. Design, Pädagogik, Psychologie, Organisations-, Arbeits- und Wirtschaftswissenschaften, Kultur- und Medienwissenschaften, Rechts- und Verwaltungswissenschaften“. Soziologie, Philosophie und Ethik im Allgemeinen und Maschinen- oder Roboterethik im Besonderen werden nicht berücksichtigt.

Interessant ist, dass bei der Aufzählung der GI von Menschen gar nicht die Rede ist. Natürlich wird man mit Benutzern üblicherweise Menschen meinen – wobei Mancini mit „User-Computer Interaction“ (Mancini 2011, 73) eben auch Tiere einbezieht und der Verfasser dieses Beitrags diesem Sprachgebrauch gefolgt ist. Ansonsten bleibt man aber sehr allgemein. Entweder man hält eine Spezifizierung im vorliegenden Kontext nicht für notwendig; schließlich ist die Mensch-Computer-Interaktion die Ausgangsbasis. Oder man will bewusst offen formulieren, weil manche Ergebnisse für alle Lebewesen relevant und in mancherlei Hinsicht lediglich graduelle Unterschiede zu verzeichnen sind. Oder aber man realisiert gar nicht, dass auch Tiere zu den Interaktionspartnern von Maschinen zählen können. Jedenfalls kann man die genannten Themen nach kleineren Anpassungen auf Tiere übertragen. Wenn man die Begriffe, die die GI verwendet, mit den obigen Beispielen verknüpft, und wenn man wiederum hin zur Maschine verallgemeinert, kann man zu den folgenden Fragestellungen einer Tier-Maschine-Interaktion kommen:

Analyse der Merkmale, Fähigkeiten und Möglichkeiten von Tieren aller Art

Analyse und Modellierung von Anwendungskontexten von Tieren und Maschinen

Tierbezogene Prinzipien, Methoden und Werkzeuge für die Gestaltung von interaktiven, vernetzten Systemen

Multimodale und multimediale Interaktionstechniken

Weiter kann man die Ausführungen zur Mensch-Maschine-Interaktion und zu den Aufgaben der Tier-Maschine-Interaktion verknüpfen und die folgenden Themen ableiten:

Verbindung von TMI und MMI

Nicht zuletzt kann man Tierethik, Wirtschaftsethik, Informationsethik, Technikethik und Maschinenethik und die Tier-Maschine-Interaktion in einen Zusammenhang stellen:

Verbindung von TMI mit Ethiken und Bereichsethiken

Damit sind lediglich einige der möglichen Themen erfasst. Sie müssen weiter ausformuliert und diskutiert werden. Sie müssen zudem spezifiziert werden. Die obige Typisierung und Darstellung mag dafür ein Ausgangspunkt sein. Unter die „Analyse und Modellierung von Anwendungskontexten von Tieren und Maschinen“ fallen Betrachtungen zu „Natur, Kultur, Haushalt und Labor als Umgebungen für Tiere und Maschinen“. Im Detail interessiert z.B., wie sich diese Anwendungskontexte im Laufe der Zeit ändern, welche natürlichen, politischen und wirtschaftlichen Einflussfaktoren es gibt, wie sich die Umgebungen im Internet der Dinge in sich und miteinander vernetzen etc.

Hilfreich ist auch eine Forschungsagenda, wie sie Mancini ausgehend von folgenden Fragen vorschlägt: „For example, how do we elicit requirements from a nonhuman participant? How do we involve them in the design process? How do we evaluate the technology we develop for them? How do we investigate the interplay between nonhuman participants, technology, and contextual factors?“ (Mancini 2011, 73) Damit ist auch die eingangs erwähnte Evaluation angesprochen – und mit dem Begriff des „nonhuman participant“ eine Alternative zum Tiere, Maschinen und Dinge umfassenden „Aktanten“ geschaffen.

5. Zusammenfassung und Ausblick

Die Tier-Maschine-Interaktion wäre eine Disziplin, die ihre Berechtigung und ihre Notwendigkeit hätte. Damit sie installiert und etabliert werden kann, ist eine intensive Zusammenarbeit zwischen Informatikern, Biologen, Soziologen und Ethikern notwendig. Mancini bringt Vertreter von Disziplinen wie „ethology, behavioral medicine, animal psychology, and veterinary, agricultural, and environmental engineering“ (Mancini 2011, 73) ins Spiel. Sinnvoll wäre es auch, wenn sich Experten der HCI engagieren würden. Als Disziplinen der Ethik sind Maschinenethik, Informationsethik, Technikethik, Umweltethik, Bioethik und Tierethik gefragt. Die Maschinenethik ist gefordert, wenn es um (teil-)autonome Systeme geht, die mit Lebewesen interagieren. Sie muss sich mehr als bisher mit Tierethik, -recht und -medizin verständigen und darf nicht ausschließlich den Menschen als Objekt der Moral anerkennen. Überhaupt muss sich die Maschinenethik mit den Disziplinen der Interaktion auseinandersetzen, und umgekehrt müssen MMI und TMI sie wahrnehmen und einbeziehen. Tier-Maschine-Interaktion kann zur Verbesserung der Mensch-Maschine-Interaktion betrieben werden und ist in dieser Form nur Mittel zum Zweck. Sie kann aber auch im wissenschaftlichen Sinne ein Selbstzweck sein – und das Ziel verfolgen, die Maschine in ihrem Umgang mit dem Tier zu optimieren und zu zähmen und das Tier teilhaben zu lassen an den Errungenschaften der Technik.

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