Über Hunde, Schweine und moralische Schizophrenie
Die Basler Zeitung (BaZ) berichtete am 24.06.2014 über einen Fall von Tierquälerei:
«Nadja Wüthrich ist noch immer ausser sich, die Geschichte lässt ihr keine Ruhe. Die Präsidentin des Tierschutzbunds Basel wurde vor einigen Tagen von Bewohnern eines Mehrfamilienhauses in Muttenz alarmiert. Hunde in einer Dachwohnung würden unaufhörlich bellen, die Mieter seien nicht zu Hause, jemand müsse etwas unternehmen, meldete eine Anruferin. Es war Pfingstsonntag, über 30 Grad heiss, die Tierschützerin schaltete die Polizei ein. (…)
“Es hat mich fast gekehrt, als die Tür geöffnet wurde”, sagt Wüthrich. Sieben Hunde waren in die Wohnung eingesperrt. Laminatboden und Teppiche waren mit Fäkalien übersät, die weissen, pelzigen Hunde beschmutzt. Mit Ausnahme des Schlafzimmers sei die Wohnung unmöbliert gewesen, die Hunde, reinrassige Samojeden, hätten keine Bettchen oder Decken, geschweige denn Rückzugsmöglichkeiten gehabt, stellte die Tierschützerin fest.
Für Wüthrich ist die Sache sofort klar: In dieser Wohnung werden unter unhaltbaren Bedingungen illegal Hunde gezüchtet, um sie zu Geld zu machen. Der Halter stritt dies ab: Der Wurf sei ein “Unfall” gewesen.»
Das Baselbieter Veterinäramt liess den Halter gewähren: Das Halten von sieben Schlittenhunden in einer mittelgrossen Wohnung sei gesetzeskonform. Die BaZ befragte dazu ihre Online-LeserInnen: Tolerieren Sie das Halten von sieben Huskys in einer Wohnung? Resultat: 6% Ja, 94% Nein bei 840 Abstimmenden. Entsprechend fielen auch die Kommentare grossmehrheitlich empört aus.
Zur selben Zeit im Kanton Basel-Land: dutzende Schweine, überdurchschnittlich gut gehalten.
Nach dem aktuellsten Forschungsstand sind Schweine mindestens so sensibel und intelligent wie Hunde – sie hören ebenfalls auf ihre Namen, können insgesamt mehr Kommandos lernen und mit Spiegeln umgehen. Die Frage drängt sich auf: Wie würden die BaZ-LeserInnen die auf den Bildern gezeigten (überdurchschnittlich guten) “Lebensbedingungen” beurteilen, wenn Hunde betroffen wären? Wer würde zögern, sie für tierquälerisch zu halten und als nicht tolerierbar zu verurteilen? Die BaZ-Abstimmung legt die Antwort nahe: vermutlich niemand.
Eine repräsentative Umfrage des Schweizer Tierschutzes (STS) zeigt, wie schlecht Schweizer KonsumentInnen über die “Schlachttier”-Haltung informiert sind: Gerade einmal 17 Prozent der TeilnehmerInnen wussten, dass eine weiche Liegefläche mit Einstreu in der Schweinehaltung nicht vorgeschrieben ist; nur 23 Prozent wussten, dass ein regelmässiger Auslauf für Schweine nicht obligatorisch ist. 1,1 Millionen Schweine (von 1.6 Millionen) in der Schweiz verbringen laut dem STS ihren Alltag auf Spaltenböden und können nie an die frische Luft. “Mastschweine” haben bis zur “Schlachtreife” eine “Nutzungsdauer” von 6 Monaten, bei einer Lebenserwartung von 12 Jahren. Die Signete Suisse Garantie und QM-Schweizer Fleisch und deren Werbung seien irreführend, kritisiert der STS.
Mehr zu den angesprochenen Themen:
– Tierwelt.ch über die Illusion vom glücklichen Schweizer Schwein
– Zeit.de über die Intelligenz der Schweine
– tier-im-fokus.ch über das kurze Leben der “Schlachttiere”
– Blick.ch mit durchschnittlichen Bildern aus der Schweinehaltung
– Tierschutz.com zur STS-Umfrage punkto Desinformation